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Lange Nacht der Wissenschaften

Geoforschung: Ein Hybrid für den Himmel

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Präsentiert vom GFZ: Wingcopter mit Koordinator Mathias Zöllner und Feldformung in der Sandbox. FOTOS: PRIVAT/GFZ

Lange Nacht der Wissenschaften

Von Gerald Dietz Als Freizeitgerät sind sie zunehmend umstritten, in der Wissenschaft nimmt ihre Bedeutung indes stetig zu: unbemannte Flugobjekte, kurz Drohnen, werden besonders in der Geoforschung immer wichtiger. Grund genug für das Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) bei der am 9. Juni anstehenden 18. Langen Nacht der Wissenschaften die ferngesteuerten Luftfahrzeuge und andere Geräte der Fernerkundung in einen Fokus zu stellen. „Wingcopter“ heißt der stolze, 1,80 Meter Spannweite messende neueste Flieger, den das GFZ künftig unter anderem im Einsatz hat und den Besucher am Sonnabend an einem Stand auf dem Telegrafenberg bewundern dürfen. „Der kann senkrecht starten und dann wie ein Flugzeug auf seinen Tragflächen weiterfliegen“, sagt Mathias Zöllner, am GFZ zuständig für das Thema Fernerkundung. Im kommenden Jahr werde die Hybrid-Drohne (daher Wing/Flügel und Copter/Hubschrauber), die in Kooperation mit der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit Messtechnik ausgerüstet wird, vor allem in Kanada die Abgabe von Treibhausgasen aus dem zunehmend tauenden Permafrostboden messen, so Zöllner. Dass der Wingcopter auch während der Langen Nacht aufsteigt, ist zwar aus sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich, aber Besucher können zumindest mit seiner Sensorik direkt in Kontakt kommen. So kann etwa der Treibhausgas-Gehalt von ausgeatmeter Luft gemessen werden. 

Artikel veröffentlicht: Dienstag, 05.06.2018 15:00 Uhr

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Drohnen sind für die Geoforschungseinrichtung schon seit einiger Zeit ein Thema mit wachsender Bedeutung. Eingesetzt werden sie auch etwa um Hangrutschungen zu erkunden, um möglicherweise vor drohenden weiteren Lawinen zu warnen. Das GFZ stellt die Fluggeräte auch selbst in den eigenen Werkstätten vor Ort her, um sie gleich gemäß der benötigten Anforderungen zu gestalten. Eine dieser Drohen, die auch am Stand zu bewundern sein wird, ist der Octocopter GK-X8, der beispielsweise demnächst für ein Projekt eingesetzt werden soll, in dem es um die automatische Erkennung und Charakterisierung von Plastik in der Umwelt geht.

Was Drohnen in vergleichsweise geringer Höhe im Detail erkunden können, nehmen mitunter Satelliten im Auftrag des GFZ aus großer Höhe im Überblick ins Visier. Eine dieser Satellitenmissionen ist Enmap, die in den kommenden Jahren starten soll und von Wissenschaftlern des GFZ bereits mit Hochdruck vorbereitet wird. Enmap soll global die von der Erdoberfläche reflektierte Strahlung bildhaft in 244 spektralen also nach Wellenlängen zerlegten Kanälen aufzeichnen. Vorrangiges Ziel ist, zum tieferen Verständnis klimarelevanter Prozesse beizutragen. Die typischen Anwendungsfelder von EnMAP sind Bewertungen von Vegetationszuständen. Aber auch in der Suche nach und der Analyse von neuen Rohstoffvorkommen oder der Einschätzung von Naturgefahren soll der Satellit künftig zum Einsatz kommen.

Handschmeichler und Navigationssatelliten

Die Geoforscher wollen nicht nur zeigen, wie sie den Himmel für sich nutzen. In der Sandbox (s.o.) wird quasi in Handschmeichlermanie gezeigt, wie Landschaften für Modellversuche geformt, Unwetter ausgelöst und dann per Lichtraster beobachtet werden kann, wie entstehende Wasserströme laufen.

Nicht nur weil die Wissenschaftsnacht 2018 mit dem Tag der Geodäsie zusammenfällt, zeigt das GFZ, welche Rolle in Potsdam entwickelte Satellitenmissionen wie Grace für Navigationssysteme wie GPS spielen. Vorgestellt wird auch die neue Konkurrenz durch das europäische Satellitensystem Galileo.

Bastelstunden auf Eisschollen

Polarwissenschaftler zeigen ihren Arbeitsalltag in den Polregionen

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Zelte für den Permafrost kommen in der Langen Nacht zum Einsatz. FOTO:AWI

Nicht nur Kinder sollen ihren Spaß haben, wenn die Eisschollen im Vorhof der drei Komplexe des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) auf dem Telegrafenberg zur Langen Nacht der Wissenschaften zu neuem Leben erweckt werden. Die symbolischen Steinplatten, die auf die Arbeitsgebiete der Polarforscher hinweisen, werden die Foren sein, auf denen etwa mit aus nachwachsenden Rohstoffen bestehendem Spielmaterial Playmais unter anderem das AWI-Forschungschiff Polarstern und die Neumayer-Foschungsstation in der Antarktis nachgebaut werden sollen.

Zudem wird zur Wissenschaftsnacht gezeigt, wie mit DNA überdauerter Pflanzenreste aus Bohrkernen vergangene Klimaperioden der Arktis vor mehr als 2,7 Millionen Jahren rekonstruiert werden. „Damals wuchsen auf Grönland und in Teilen der übrigen Nordpolregion noch Wälder“, schildert AWI-Biologin Ulrike Herzschuh. Erst danach vergletscherten die Regionen und sind jetzt wieder im Zuge des Klimawandels nach einem periodischen Wechsel von Warm- und Kaltfasen einem außergewöhnlich schnellen Tauprozess ausgesetzt.

Nicht nur die Eisschollen sollen den Forschungsalltag der Polarwissenschaftler darstellen. Ebenso im Vorhof des Instituts wird zur Langen Nacht ein Zeltlager entstehen, wie es die AWI-Forscher in ihrer traditionellen Forschungsregion, den Permafrostgebieten etwa Sibiriens nutzen. „Da wird zu sehen sein, was man dabei haben muss und wie man es gebraucht“, so Herzschuh. Doch damit begnügen sich die Forscher nicht, um zu zeigen, wie ihre Arbeit aussieht. Auf Tischen werden Reste von Eisproben der Bohrkerne aus dem Permafrost zu sehen sein, aus denen die Historie der Region rekonstruiert und Aussagen über die Zukunft des von der Erderwärmung bedrohten Lebensraums getroffen werden können. Zudem werden auch in den neuen Forschungskomplexen Aktionen vorbereitet. gd

Permafrost zwischen Blüte und Zerfall

Permafrostregionen sind nicht nur unwirtliche Gegenden. Sie bieten Menschen und anderen Lebewesen derzeit noch unverzichtbare Lebensräume. Zur Wissenschaftsnacht stellt das AWI anhand von Anschauungsmodellen vor, wie schon heute im Zuge des fortschreitenden Klimawandels Häuser und Straßen in Städten dort wegen des tauenden Untergrunds zerfallen und einbrechen.

Auf der anderen Seite wird anhand von Satellitenbildern und interaktiv mit Besuchern an Computern demonstriert, wie reichhaltig Permafrost-Vegetation in Tundra und Taiga sein kann und wie Mensch und Tier heute dort leben.

Haushalte für den Klimaschutz

Potsdamer Institut hilft Berliner Familien

100 Haushalte, 365 Tage: Was Klimaschutz im Alltag bedeutet, das erproben seit Dezember in der Hauptstadt Privathaushalte im Projekt „Klimaneutral leben in Berlin“ (KliB), das vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (Pik) entwickelt wurde. Das Vorhaben steht im Fokus der Klimaforscher zur Wissenschaftsnacht. Von Familien mit Kindern über Lebenspartnerschaften, Wohngemeinschaften oder Singles – ein Jahr lang dokumentieren die Freiwilligen ihren persönlichen CO2-Fußabdruck und lernen Möglichkeiten kennen, die eigene Klima-Bilanz zu verbessern.

Begleitet werden sie von Fachleuten des Pik. Das KliB-Reallabor ist das erste seiner Art und soll aufzeigen, wie sich Klimaschutz im Alltag umsetzen lässt, wo Probleme liegen und was die Politik tun könnte. „Haushalte können einen enormen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so Projektleiter Fritz Reusswig.

Derzeit kommen auf jeden Bundesbürger im Schnitt noch elf Tonnen CO2 pro Jahr. Ein persönlicher Treibhausgas-Fußabdruck, der mit den globalen Klimaschutzzielen von Paris, denen des Bundes und dem Klimaneutralitätsziel des Berliner Senats für 2050 übereinstimmt, müsste aber auf ein bis höchstens zwei Tonnen pro Kopf und Jahr herunterkommen. Mit den ausgewählten Haushalten soll untersucht werden, welche Probleme es beim Umstieg auf einen klimafreundlichen Lebensstil gibt.

Astronomie im Refraktor

Wissenschaftsgeschichte hautnah erleben: Im historischen Kuppelraum des Großen Refraktors des Leibnizinstituts für Astrophysik (AIP) können Interessierte eines der größten Linsenteleskope der Welt bewundern. Wissenschaftler des AIP geben in Vorträgen spannende Einblicke in die Historie und Funktionsweise des Instruments sowie in aktuelle Forschungsfragen der Astronomie. Nach Einbruch der Dunkelheit und bei klarem Himmel können die Gäste unter fachkundiger Anleitung selbst zum Beobachter werden und durch das Teleskop einen Blick in den Himmel werfen.