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Wirtschaft 5.1

Holz ist viel zu schade zum Verbrennen

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Fraunhofer-Forscher testen Rapsrückstände auf ihre Weiternutzung. FOTO: MZ/DEUTSCH

Wirtschaft 5.1

Von Ralf Böhme Halle. Noch dümpelt der Preis für ein Barrel Erdöl um die Marke von 50 Dollar. Was aber passiert, wenn die Niedrigpreisphase endet und das Fass das Vierfache kostet? Auf dieses Szenario bereitet sich Sachsen-Anhalt vor, indem es schon jetzt eine biobasierte Wirtschaft entwickelt.„Die Zukunft beginnt in Mitteldeutschland“, sagt Matthias Zscheile, Chef des Bio-Economy Clusters in Halle. Wie sich der Wirtschaftskreislauf in den kommenden zehn Jahren verändern wird, davon besitzt der Netzwerker eine ziemlich konkrete Vorstellung. Der Industrie stehe eine gravierende Richtungsänderung bevor. „Angebot und Nachfrage werden sich dramatisch wandeln.“Diese Beispiele geben einen Ausblick. Erstens: Löwenzahn-Milch könnte 2027 eine wichtige Zutat für Gummimischungen sein, aus denen Winterreifen gemacht werden. Zweitens: Ein Grundstoff für Plastikflaschen, der sich aus Zuckerrohr gewinnen lässt – auch das ist eine wahrscheinliche Perspektive. Drittens: Bakterien erzeugen in Reaktoren ein Material, das der Spinnenseide gleicht und für extrem stabile Seile oder ultraleichte Schutzwesten geeignet ist.Einmalig ist, was das Land selbst zum weltweiten Wandel der Holznutzung beitragen kann. 50 Unternehmen sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen arbeiten daran. 16 gemeinsame und 51 Teilprojekte zielen auf hochwertige Produkte aus dem nachwachsenden Rohstoff. Weitere 40 Vorhaben sind in der Pipeline. Insgesamt sind Von Ralf Böhme NETZWERKER Rainer Gläß, GK Software FOTO: CHRISTIAN SCHUBERT 76 Partner einbezogen, darunter Universitäten in Halle, Göttingen, Dresden sowie das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig und die Fraunhofer-Gesellschaft. Die Palette reicht vom Holzeinschlag über die Sägewerkstechnik bis zu Holzbau und Chemie, stets getrieben von einheimischer Forschung und Entwicklung. Besonders weit gediehen sind die Entwicklung zur intelligenten Nutzung von Buchenholz. Zum Verbrennen im Kamin ist es viel zu schade. Der Einsatz als Eisenbahnschwellen, Möbelholz oder Parkett gilt als Auslaufmodell oder wenig profitable Nische. Chemische Prozesse dagegen können daraus Verbundwerkstoffe und Bauteile erzeugen, auch Kunstfasern und chemische Basisstoffe. Das passiert bisher vor allem in Laboren. „Nun geht es endlich darum, wie finden wir den Weg in die großtechnische Praxis“, sagt Zscheile. Das Potenzial jedenfalls sei riesig. „30 Prozent der deutschen Buchenwälder sind im Harz, vor allem rund um Rottleberode.“Dieser Rohstoff-Schatz hebt sich allerdings nicht von allein. Zuerst muss mindestens ein finanzstarker Investor gewonnen werden. Das verlange harte Überzeugungsarbeit, fasst Zscheile seine bisherigen Erfahrungen zusammen. Manches Großunternehmen verhalte sich noch abwartend. Das sei teilweise sogar verständlich. Schließlich kosteten die erforderlichen Anlagen eine Menge an Geld. Andererseits gebe es gerade in Sachsen-Anhalt auch die benötigten Fachkräfte. Und die Branchen Holz, Chemie und Kunststoffe bildeten in der Region bereits ein Netz.„Gemeinsam mit einem Industriepartner ist das südliche Sachsen-Anhalt der Top-Standort für einen künftigen Weltmarktführer.“ Das Cluster-Management trägt diese Idee hinaus in die Welt, demnächst auf einer Messe in Brüssel. Es steht nach eigenen Angaben bereits im engen Kontakt mit Unternehmen in den USA und in Skandinavien. Neuerdings mit im Boot: Die Investitions- und Marketinggesellschaft des Landes.Zscheile dringt auf Tempo: „Pakete schnüren, die im Wettbewerb um die Investoren überzeugen können, das ist das Gebot der Stunde.“ Marktstrategien, die der Cluster entwickelt, dürften nicht in Schubladen verschwinden. Störendes, das Investitionen erschwere, müsse angepackt und beseitigt werden. Ein Cluster agiere nicht nur national, sondern immer mindestens im europäischen Umfeld. Aus Sicht der EU beispielsweise werde Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als ein Wirtschaftsraum wahrgenommen. Die Zeit der Kleinstaaterei neigt sich dem Ende zu, reflektiert Zscheile die Erwartung internationaler Wirtschaftslenker.Info

Artikel veröffentlicht: Dienstag, 21.11.2017 16:00 Uhr

Der Heimat verbunden

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Rainer Gläß, GK Software 
FOTO: CHRISTIAN SCHUBERT

Vom Waldrand auf den Weltmarkt: Auch wenn die GK Software AG heute Büros in Berlin, Hamburg und Moskau hat – wer zu Vorstandschef Rainer Gläß (58) will, muss tief hinein ins Vogtland fahren. In Schöneck, einer Kleinstadt mit gut 3300 Einwohnern, umgeben von Wäldern und nahe an der Grenze zu Tschechien, hat die Firma ihren Sitz. „Wir haben hier fleißige Mitarbeiter, die loyal zum Unternehmen stehen. Und damit haben wir Stabilität“, sagt Gläß.

Die GK, eine der wenigen börsennotierten Firmen in Mitteldeutschland, hat sich als Entwickler von Softwarelösungen für den Handel einen Namen gemacht. Ketten wie Aldi, Douglas oder Loblaw in Kanada stehen auf der Kundenliste. In mehr als 41 000 Filialen in über 40 Ländern ist die Software im Einsatz. Über 900 Mitarbeiter an zwölf Standorten beschäftigt GK heute. Im vorigen Jahr konnte Vorstandschef Gläß einen Rekordumsatz von 77 Millionen Euro verbuchen. Jan-Dirk Franke

Die Partykönige von Rehna

Die Maack-Brüder locken Stars wie Nena und Jürgen Drews nach Mecklenburg

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Familiensache: In zweiter Generation führen Matthias und Michael Maack das Unternehmen Maack Events und Catering. FOTO: MICHAEL SCHMIDT

Von Michael Schmidt 

Rehna. Dass die Rehnaer Maack-Brüder einmal die Partykönige ihrer Heimatstadt würden, daran war bei Firmengründung nicht zu denken. Im Gegenteil. Maacks Vater verlor nach dem Verkauf eines Metallbaubetriebes 1996 seine Arbeit. 55 Jahre war der Senior damals alt. Sein ältester Sohn Matthias war in jener Zeit auf Achse, kurvte als Fernfahrer mit einem Sattelzug durch Europa. Sein zweiter Sohn Michael drückte als Zehntklässler die Schulbank.

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Zu Hause herumhocken wollte Senior Maack nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes nicht. Nach vier Wochen machte er sich selbstständig. Er eröffnete einen Getränkeladen in seiner Heimatstadt Rehna. Es war ein Ein-Mann-Betrieb. Heute sind bei den Maacks 15 Frauen und Männer beschäftigt, inklusive eines Lehrlings. Sie schmeißen in Rehna und Gadebusch zwei Läden und verfügen über einen Fuhrpark mit 20 Fahrzeugen und Anhängern. Und sie organisieren Veranstaltungen, die Tausende von Gästen pro Jahr anlocken. Das Rehna Open Air gehört dazu, bei dem bisher Künstler wie die Puhdys, Mathias Reim, die Münchner Freiheit, DJ Ötzi, Jürgen Drews, Michelle oder Beatrice Egli auftraten.

Auch Nena holten die Maacks nach Rehna – und haben das nie vergessen. „Wir räumten unsere halbe Wohnstube leer, damit sie es hinter der Bühne so bequem wie möglich haben konnte “, sagt Matthias Maack. Heute kann er darüber schmunzeln. Damals dürfte ihn das Ganze gewurmt haben.

Ein Familienbetrieb ist die Firma Maack Events und Catering bis heute geblieben. Senior Werner, inzwischen 74, packt immer noch mit an – auch wenn die Geschäfte längst in den Händen seiner Söhne liegen. In einem Umkreis von 100 Kilometern sind die beiden Nordwestmecklenburger Unternehmer des Jahres 2016 unterwegs. Sie arbeiten jeden Tag zwölf und an den Wochenende bis zu 30 Stunden. „Ohne familiäre Unterstützung würden wir das nicht schaffen“, sagt Michael Maack.