Von Gerald Dietz Gut ein Jahr nach dem Start der jüngsten Pflegereform fallen die Bewertungen unterschiedlich aus. „Die Pflegereform bringt deutlich weniger, als von der Bundesregierung behauptet“, kritisiert etwa der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Mehr Menschen hätten nun „früher und insgesamt einen besseren Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung“, sagt dagegen der Geschäftsführer des Spitzenverbandes des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), Peter Pick. Mit der neuen Methode der Begutachtung hätten im Vergleich zu 2016 rund 304 000 Versicherte neu anerkannt werden können.Seit Anfang 2017 gilt eine neue Einstufung von Betroffenen bei der Pflegeversicherung. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff sollen unter anderem auch Beeinträchtigungen von Wahrnehmung und Erinnerung etwa bei Demenz besser berücksichtigt werden. Die Pflegebedürftigkeit wird nach einem neuen Verfahren eingeschätzt. Es geht nicht mehr um die benötigte Zeit für die Pflege, sondern um den Grad der Selbstständigkeit der Bedürftigen. Statt drei Pflegestufen gibt es nun fünf Pflegegrade.Brysch zweifelt die Zahlen des MDK nicht an. Aber der weitaus größte Teil der neu anerkannten Bedürftigen sei in den neuen Pflegegrad 1 eingestuft worden. Dieser diene vor allem der Vorbeugung und bringe nur wenig Unterstützungsleistungen. Bei den Pflegebedürftigen in den Pflegegraden 2 bis 5 sei der Anstieg mit unter vier Prozent lediglich mit den Vorjahren vergleichbar.1,6 Millionen Gutachten für neue Pflegegrade wurden erstelltDer MDK spricht von insgesamt über 1,6 Millionen Versicherten, die nach dem neuen Verfahren begutachtet worden seien. Bei rund 1,4 Millionen Versicherten hätten die Gutachter einen der fünf Pflegegrade empfohlen. Rechnet man noch rund 270 000 Gutachten nach altem Verfahren mit ein, deren Anträge bereits vor 2017 gestellt worden waren, ergibt sich gegenüber 2016 doch ein deutlicher Zuwachs der positiven Entscheidungen für Pflegeleistungen durch die Gutachter. Schon Ende des vergangenen Jahres war auf einer Pflegekonferenz in Berlin konstatiert worden, dass sich der Anteil der Antragsteller, die als nicht pflegebedürftig eingestuft wurden mit nur noch gut zwölf Prozent halbiert habe.Der MDK in Sachsen-Anhalt sprach in einer eigenen Auswertung zuletzt von einem Zuwachs der Begutachtungen mit Pflegeempfehlung von bald einem Sechstel gegenüber dem Vorjahr. Aus Brandenburg liegen entsprechende Zahlen noch nicht vor.Inhaltliche Kritik an der Umsetzbarkeit der Ziele der Pflegereform gibt es auch seitens der Träger von Pflegeeinrichtungen. „Auffallend ist, dass der Gesetzgeber Rehabilitation vor Pflege gestellt hat und die breite Masse der Hausärzte das nicht entsprechend umsetzen kann“, sagt Gerhard Schuhmacher, Pflegefachmann der Caritas und Leiter einer Sozialstation der Hilfsorganisation. Das wirke sich natürlich auch auf die Belegung und die Kostenstruktur der Pflegeheime aus.Auch der MDK selbst sieht die Erwartungen an die Pflegereformen noch längst nicht gänzlich umgesetzt. Im nächsten Schritt komme es nun darauf an, die Versorgung im Sinne des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs weiterzuentwickeln, so Pick. In allen Bereichen – ob ambulant oder stationär, in neuen Wohnformen und bei ergänzenden Unterstützungsangeboten – seien „weitere Aktivitäten aller Akteure notwendig, um mit bedarfsgerechten Angeboten die Ressourcen der pflegebedürftigen Menschen weiter zu stärken und ihre Selbstständigkeit soweit als möglich zu erhalten“, stellt der Spitzenverbandschef des MDK fest.
In guten Händen
Artikel veröffentlicht: Freitag, 26.01.2018 10:00 Uhr
Ein Drittel im Pflegegrad zwei
Gut 22 Prozent wurden in den Pflegegrad drei eingeordnet mit bis zu 1298 Euro monatlichen Pflegesachleistungen. Mehr als 18 Prozent wurden in die Pflegegrade vier und fünf mit Sachleistungen bis zu 1995 Euro monatlich eingestuft. 12,9 Prozent wurden als nicht pflegebedürftig angesehen.
Zudem wurden in den ersten Monaten 2017 zusätzlich 268 000 Versicherte nach dem alten Verfahren begutachtet.
Entlastungszahlungen in der Pflege
Ansprüche aus Vorjahren noch bis Ende 2018 verwenden
Angehörige, die ihre Partner, Eltern oder Schwiegereltern zu Hause pflegen, leben im Dauerstress. Um ihnen und den zu Pflegenden Erleichterung zu verschaffen, zahlen die Pflegekassen seit dem vergangenen Jahr eine Entlastungsleistung von 125 Euro im Monat. Mit diesem Geld kann die Pflege oder Betreuung für einige Stunden an jemand anderen übertragen werden. Die Entlastungsleistung hat das zuvor gezahlte Betreuungsgeld von 104 Euro oder 208 Euro abgelöst.
Was viele Anspruchsberechtigte nicht wissen: „Bislang ungenutzte Beträge aus den Jahren 2015 und 2016 können noch bis Ende des Jahres ausgegeben werden“, rät die auf Pflegefragen auch für die Kollegen anderer Bundesländer spezialisierte Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Um die Beträge optimal zu nutzen, sollte man sich zunächst über die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten informieren.
Wer anerkannt pflegebedürftig in einen Pflegegrad eingestuft ist, kann laut Verbraucherzentrale den monatlichen Betrag von 125 Euro nutzen. Menschen mit Pflegegrad 1 erhalten ausschließlich diesen Betrag, Bedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5 können das Geld zusätzlich zu anderen Pflegeleistungen nutzen. Der Entlastungsbetrag kann höher ausfallen, wenn er mal nicht in Anspruch genommen oder ausgeschöpft wurde. Ansprüche auf den Betrag aus dem Jahr 2017 verfallen am 30. Juni. Pflegebedürftige, die aus 2015 oder 2016 Anspruch auf Betreuungs-Extras haben, können die aufgesparten Beträge aber noch bis Jahresende ausgeben. Dies kann sich lohnen: Ein Pflegebedürftiger, der 2016 das Geld für Betreuungsleistungen nicht genutzt hat, kann zusätzlich zu den aktuell bewilligten 125 Euro noch 104 Euro im Monat zusätzlich beantragen. Ab 1. Januar 2019 wird dann nur noch der reguläre Betrag von 125 Euro gezahlt.
Das Geld kann vielfältig für Tages- und Nachtpflege oder für einen vorübergehenden Aufenthalt in einer Kurzzeitpflege genutzt werden. Auch Unterstützung im Alltag ist in vielen Fällen möglich.